Kritischer Blick – oder Stärkenbrille?

Die meisten von uns kennen das: Ob wir so – oder so – auf unser Leben schauen, entscheidet oft über Zufriedenheit, empfundenes Lebensglück und Erfolg.

Eine interessante Anregung dazu habe ich im aktuellen Buch von Elke Heidenreich gefunden. Sie stellt ihrem lesenswerten Essay über das ‚Altern‘ zwei Perspektiven auf ihr Leben voran.

 Die erste beginnt mit: ‚Ich habe mein Leben komplett in den Sand gesetzt‘ und beschreibt die Zumutungen ihrer Kindheit ebenso wie die Irrungen, Fehler und Versäumnisse ihres Erwachsenenlebens.

 In der zweiten Version schaut sie unter der Überschrift ‚Ich hatte ein unfassbar wunderbares Leben‘ mit Dankbarkeit durch die Ressourcenbrille und beschreibt ein ganz anderes Leben.

Ich habe das mit leicht veränderten Überschriften ausprobiert und fand es hilfreich, beide Versionen meines Lebens mal bewusst hintereinander aufzuschreiben und dann nebeneinander zu stellen:

Zuerst eine Beschreibung, die auch in den Blick nimmt, was schwer war, misslungen ist, widersprüchlich, unerfüllt …

Dann mein ‚wunderbares‘ Leben: Was wurde mir geschenkt und was ist mir gelungen? Wofür kann ich dankbar und worauf kann ich stolz sein?

Unter dem wohlwollenden Blick dieser zweiten Beschreibung verändert sich die Bewertung der kritischen Aspekte und die schwierigen Erfahrungen erscheinen in einem neuen Licht.

Am Ende brauchen wir Beides, die Fähigkeit, (selbst)kritisch zu reflektieren, ebenso wie den Ressourcenblick und die Fähigkeit zur Dankbarkeit. Und am Besten geht es uns, wenn wir beides verbinden lernen.

Vielleicht haben Sie / habt Ihr auch Lust oder gerade einen Anlass für diese kleine Übung mit großer Wirkung?

Oder Lust zum Lesen? Dann empfehle ich das scharfsinnige und kurzweilige kleine Buch, in dem Elke Heidenreich sich augenzwinkernd mit Altern und Lebensglück auseinandersetzt – autobiografisch und mit vielen Zitaten von Schriftstellern und Philosophen aller Epochen, die sich über das Alter ausgelassen haben.

In jedem Fall lohnt es sich, das Fazit der 81-jährigen zu beherzigen und ggf. im Coaching zu vermitteln: „Heute weiß ich, dass das Glück kein Zustand ist, nach dem man verzweifelt suchen muss. Es ist immer nur ein Augenblick – und ich habe gelernt, ihn zu erkennen und zu genießen.“

Ergänzen, kommentieren und teilen Sie diesen Text gerne bei LinkedIN: