Was ist und wofür brauchen wir Coaching-Kompetenz?
Kürzlich führte eine ZDF-Doku (Das Geschäft mit der Hoffnung: der Coaching-Boom) zu einer Welle der Empörung bei Kolleg:innen, die verständlicherweise nicht in einen Topf geworfen werden möchten mit den dort gezeigten unseriösen Geschäftspraktiken von Motivationsgurus und lautstarken Heilsbringern. Der Beitrag rüttelte offensichtlich an den Grundüberzeugungen der beruflichen Identität.
Aber der Begriff Coach ist eben nicht geschützt, und wer will es Trainer:innen, Therapeut:innen oder Experten übelnehmen, wenn sie den sport- und erfolgsassoziierten Begriff ‚Coach‘ für sich reklamieren – ob nun mit oder ohne entsprechende Weiterbildung?
Um zu beurteilen, was hinter dem Label ‚Coaching‘ steckt, müsste man jeweils hinterfragen: Mit welchem Erfahrungshintergrund, mit welchem Menschenbild und mit welcher Intention wird hier gearbeitet?
In meinem Arbeitsfeld, der Personal- und Organisationsentwicklung, soll Coaching den Raum öffnen für ein vertieftes Verständnis von Konflikten, für neue Perspektiven, sinnvolle Ziele, eigene Lösungsideen und -strategien.
Als ‚Coach‘ fördere ich hier die Selbstkenntnis, Selbstverantwortung und das Selbstwirksamkeitserleben – statt Abhängigkeit und Heilsgläubigkeit wie in den gezeigten Beispielen in der ZDF-Doku.
Die dafür erforderliche Coaching-Kompetenz ist für mich nicht an ein bestimmtes Berufsbild gebunden, und sie wird zunehmend zum kritischen Erfolgsfaktor in allen (Führungs-)Rollen und Feldern, in denen wir Selbstverantwortung und eigenständige Lösungskompetenz fördern wollen. Dazu gehört in der Essenz:
- Aufmerksam zuhören,
- öffnende und inspirierende Fragen stellen und
- wohlwollend und entwicklungsfördernd Resonanz und Feedback geben zu können
Das klingt einfach, ist es aber nicht! Coaching-Kompetenz zeigt sich eher in einer zurückgenommenen Gesprächs-Haltung als im Abfeuern irgendwelcher Fragen- oder Methoden-Feuerwerke.
Diese Haltung konsequent einzunehmen fällt besonders denen schwer, die gelernt haben, unter Erfolgsdruck immer im Lösungsmodus unterwegs zu sein: Hypothesen zu bilden, Vorschläge und Angebote zu machen, abzufragen, ob dies oder das schon ausprobiert wurde und dabei versäumen, das Gegenüber stimmige eigene Lösungen finden zu lassen.
Die tolle Lösung kommt dann eben nicht von mir! Wer das erreichen will, muss auf Glanz verzichten, indem er Andere zum Glänzen bringt.
Das ist für mich der zentrale Unterschied zu den Motivationsgurus und Heilsbringern, die alles schon wissen und uns klare Anweisungen geben, was wir tun, ausprobieren und in uns ‚investieren‘ sollen, um erfolgreich, glücklich und ‚reich’ zu werden.
Ob als Berater:in, Trainer:in, Expert:in oder in einer Führungsrolle:
Wir brauchen Coaching-Kompetenz überall da, wo Menschen erfolgreich zusammenarbeiten, anspruchsvolle Ziele erreichen und sich dabei persönlich weiterentwickeln wollen.
Ergänzt, kommentiert und teilt diesen Text gern auf LinkedIn
