Der ruhende Löwe

Ein Coachee ärgert sich über eine Umbesetzung in der Nachbarabteilung, die für sein Team einen Mehraufwand und im Ergebnis einen Qualitätsverlust bedeutet.

Eigentlich weiß er genau, was er seinem Führungskollegen sagen und was er erreichen will. Aber seine kritische Stellungnahme und seine klare Erwartung wird im konkreten Gespräch eher zu einem zögerlichen Hinweis, den man leicht überhören und übergehen kann.
Er möchte mit seinen Bedenken und Erwartungen ernst genommen werden, aber er möchte gleichzeitig auch nett gefunden werden. So kommt zum Ärger über die Situation noch der Ärger über sich selbst.

In der Kommunikation senden wir ständig Signale, die unsere innere Haltung widerspiegeln. Diese Signale werden oft unbewusst wahrgenommen und haben großen Einfluss darauf, wie unsere Autorität, Sicherheit oder Kooperationsbereitschaft eingeschätzt wird. Und wenn diese Haltung zwiespältig ist, kommt das eben auch an.

Um das Bewusstsein für die Wirkung seiner non-verbale Signale zu schärfen, bitte ich ihn, im Rollenspiel abwechselnd mal im Hochstatus zu sprechen mit aufrechter Haltung, ruhigen Bewegungen, direktem Blickkontakt, klarer Sprache. Und dann wieder in einen Tiefstatus zu wechseln, zum Beispiel indem er die Schultern senkt, sich kleiner macht, die Stimme zurücknimmt, mit dem Blick ausweicht o. ä.

Dabei spielt er seine Rolle selbst. Ich übernehme die Rolle seines Führungskollegen und spiegele die unterschiedliche Wirkung zurück.

Er erlebt: Mit der Erlaubnis zum ‚Hochstatus‘ ist er deutlich klarer in seinen Aussagen und es fällt ihm leichter, sein Gegenüber zu erreichen und zu überzeugen. Was er sagen will, kommt jetzt an.

Was ist anders? Er behält den Überblick, bleibt ruhig und fühlt sich stark. Fällt ihm ein Bild dazu ein? Ein ruhender Löwe auf einem Hügel, der gleichzeitig entspannt und präsent wirkt.

Später reicht es dann oft schon aus, sich an den ‚ruhenden Löwen‘ zu erinnern und diese Körperhaltung bewusst einzunehmen, wenn es in der Kooperation gebraucht wird

Mit der kleinen Coaching-Übung aus dem Improvisationstheater können Führungskräfte lernen, wie sie durch bewusst eingenommene Haltungen mit klarer Präsenz führen und ebenso durch bewusstes Zurücknehmen Räume öffnen können. Es geht dabei nicht um Dominanz, sondern um bewusste Selbststeuerung und Wirkung.

Das Konzept des „High-Status“ und „Low-Status“ wurde 1979 erstmals von Keith Johnstone systematisch für das Improvisationstheater beschrieben. Er erkannte schon in seinen frühen Impro-Experimenten, dass Körpersprache, Gestik, Blickkontakt und Tonfall ständig Statussignale senden und nutzte das Bild der „Status-Wippe”: „When one person’s status goes up, the other person’s status goes down, and vice‑versa“.

Für Johnstone geht es bei Status nicht um einen festgelegten sozialen Rang, sondern um dynamische Rollenwechsel im Spiel.

Ergänzt, kommentiert und teilt diesen Text gern bei LinkedIn: