Fallskizze: Vierseitig kommunizieren
„Wenn ich Fragen stelle, ziehen sich diese Gespräche so in die Länge …“
Der Coachee hat gerade einer Mitarbeiterin eine interessante neue Aufgabe angeboten und sich darüber gewundert, dass sie wissen wollte, wieso er ihr das zutraue und was genau er denn an ihrer Arbeit schätze …
Er ist irritiert. Wieso fragt sie das? Und was will sie denn noch von ihm hören? Mit dem Angebot sei doch genug gesagt. Bei genauerem Hinhören wird klar: Er hat Angst vor solchen Gesprächen – sogar dann, wenn der Inhalt eigentlich positiv ist, wie in diesem Beispiel.
Er betrachtet Gespräche mit Mitarbeitenden als notwendiges Übel und möchte ihnen am liebsten aus dem Weg gehen – oder schriftlich kommunizieren, weil er Menschen ohnehin anstrengend findet. Was das Feedback angeht, lebt er nach dem schwäbischen Motto: ‚net g’schimpft isch gnug g’lobt‘.
Das Ausblenden der Beziehungsebene verbucht er unter „professionell arbeiten“. Vertiefende oder weiterführende Fragen vermeidet er, damit die Situation nicht noch länger dauert.
Nun könnten wir im Coaching über sein Führungsverständnis diskutieren. Oder über seine Angst vor Nähe und der Frage nachgehen, warum er überhaupt Führungskraft sein will, wenn er eigentlich mit den Menschen so wenig zu tun haben möchte.
Ich entscheide mich, diese Fragen zurückzustellen und versuche es über die Methodenschiene, indem ich ihm das Kommunikationsquadrat nach SvT erkläre als „einfaches Modell, mit dessen Hilfe Ihnen solche Führungsgespräche leichter und besser gelingen könnten“.
In diesem Fall nutze ich es, um ihm die vier Anforderungen in der (Führungs-)Kommunikation näher zu bringen. Er kommuniziert auf der Sach – und Appellebene, ohne Selbstkundgabe und ohne Empathie für eine wertschätzende Gestaltung der Beziehungsebene. Er zeigt wenig von sich und vor allem kein wertschätzendes Interesse. Durch die fehlenden Nachfragen erfährt er außerdem wenig über die Mitarbeiterin.
Wir bereiten ein vierseitiges wording vor, wie er sowas bei der nächsten Gelegenheit besser machen könnte und er probiert es in kurzen Rollenspielen aus, z. B.:
„… Es gibt das neue Projekt x … Ich schätze ihre Arbeit wegen … Als ihre besonderen Stärken sehe ich… deshalb wären Sie eine gute / die richtige Besetzung und ich möchte ihnen die Leitung dieses Projekts anbieten … das ist mir besonders wichtig, weil … Die damit verbundene Erwartung an Sie wäre … Wie passt das Angebot für Sie? …“
Beim Vervollständigen seiner Kommunikation erlebt der Coachee seinen Entwicklungsbedarf und lernt gleichzeitig, die vier Anforderungen zu berücksichtigen:
- Verständlichkeit (Sachebene)
- Persönliche Transparenz (Selbstkundgabe)
- Wertschätzende Beziehungsgestaltung (Beziehung)
- Ziel-und Lösungsorientierung (Appell)
Obwohl das Kommunikationsquadrat heute bereits in der Schule vermittelt wird, ist es manchen Führungskräften in der konkreten Anwendung erstaunlich unvertraut.
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