Nur Geduld
Ob in einer Führungssituation, im Coaching oder in privaten Gesprächen, wir kennen das Alle: Das Gegenüber redet (und redet…) und wir schweifen mit den Gedanken ab und kommen gefühlt nicht mehr dazwischen
Ich gehöre intuitiv eher zu den ungeduldigen Zuhörer:innen, die tendenziell zu früh unterbrechen, Stellung nehmen oder widersprechen würden, wenn sie sich nicht aus besserem Wissen bewusst dagegen entscheiden. Und ich habe berufsbedingt gelernt, geduldiger und länger zuzuhören, um die Chance zu erhöhen, dass mein Gegenüber sich beim Reden selbst sortiert.
Es gibt aber auch Gesprächssituationen, in denen das geduldige Zuhören zur Falle werden kann. Während der Andere sich beim Sprechen in Detailbeschreibungen verliert, stellt sich keine neue Erkenntnis ein und man verpasst ggf. aus Höflichkeit den Punkt für eine weiterführende Nachfrage oder sinnvolle Fokussierung.
Die Frage nach dem ‚richtigen Maß‘ von Geduld beim Zuhören im Führungs- oder Coaching-Gespräch beschäftigt viele unserer Teilnehmer:innen und Ausbildungskandidat:innen.
Dazu empfehle ich die Metapher vom Goldfisch-Dompteur:
Wo hilft meine Geduld dem Anderen dabei, sich selbst zu fokussieren – und wann werde ich durch meine Passivität zum ‚Goldfischdompteur‘, der geduldig auf etwas wartet, was dann doch nicht funktioniert?
Wir unterscheiden dabei zwei Aspekte: Was nützt dem Anderen, sich zu sortieren und zu fokussieren – und was brauche ich selbst, um aufmerksam an Bord zu bleiben?
Meist hilft es, das Phänomen kurz anzusprechen und die Verantwortung für die Gesprächsführung zu teilen:
„Das sind viele Details und beim Zuhören entstehen bei mir schon Bilder, Fragen oder Anregungen. Denken Sie, dass es jetzt besser wäre, das im Detail erstmal weiter auszubreiten – oder soll ich schon mitsteuern?“
Mit dieser Art zu Fragen lässt sich so mancher kreisende Goldfisch befreien.
In jedem Fall hilft die kleine Unterbrechung dabei, selbst an Bord zu bleiben und die eigene Aufmerksamkeit wieder neu zu fokussieren – auch wenn die Antwort lautet: „Ich brauche bitte noch etwas Geduld.“
Bild: Goldfischdompteur aus Wolf Erlbruchs Kinderzimmerkalender 2013 „Nur Geduld“.
Ergänzt, Kommentiert und teilt diesen Text gern bei LinkedIN:
